Ausbildung mit 30
Bei mir selbst steht die 30 im September an. Ich bin mit meiner Berufswahl zufrieden. Während meines Studiums wusste ich aber auch oft nicht, wo es mal genau hingehen soll. Man ist schließlich noch jung, wenn man sich für einen Beruf entscheiden soll. Wer schreibt einem vor, dass man den dann sein ganzes Leben lang ausüben muss?
Es gibt viele Gründe, den Beruf zu wechseln, das Studium abzubrechen, nicht direkt nach der Schule eine Ausbildung zu machen, sich noch mal für eine Umschulung zu entscheiden … Egal, aus welchem Grund du dich dafür entscheidest: Eine neue Ausbildung oder Weiterbildung kommt immer infrage, unabhängig vom Alter. Und: Gute Gründe für eine Ausbildung gibt es auch.
Teilzeitausbildung
Ist es dir nicht möglich, eine Vollzeitausbildung zu absolvieren? Dann ist eine Teilzeitausbildung eine gute Alternative. Eine Teilzeitausbildung ermöglicht dir, die Arbeitszeit um bis zu 50 % zu reduzieren, so kannst du Ausbildung und Privatleben besser miteinander vereinbaren. Die Ausbildungsdauer verlängert sich entsprechend, maximal jedoch um das 1,5-fache der regulären Dauer. Gehalt und Urlaubsanspruch passen sich prozentual an. Theoretisch kann jeder eine Teilzeitausbildung machen, dafür gibt es keine spezifischen Voraussetzungen mehr. Es ist aber wichtig, die Ausbildung mit dem Betrieb abzustimmen und bei der zuständigen Kammer zu beantragen.
Wie finanziere ich meine Ausbildung mit 30+?
Das Thema Geld hält wohl die meisten Menschen davon ab, noch mal was komplett Neues anzufangen. Umschulungen sind teuer und mit dem Ausbildungsgehalt die Wohnung & Co zu finanzieren ist auch oft schwierig. Azubis haben aber die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung zu bekommen.
Bei schulischen Ausbildungen kannst du bis zum 45. Lebensjahr Schüler-BAföG beantragen. Für duale Ausbildungen gibt es die sogenannte Berufsausbildungsbeihilfe (BAB). Wie viel man bekommt wird individuell berechnet und hängt zum Beispiel vom Einkommen der Eltern, dem eigenen Einkommen oder dem Einkommen vom Partner (wenn verheiratet) ab. Für Auszubildende, die älter als 30 Jahre sind, wird die BAB aber oft einkommensunabhängig gewährt. Wenn BAB und BAföG für dich nicht infrage kommen, kannst du auch Wohngeld beantragen.
Es gibt auch die Möglichkeit, einen Bildungsgutschein zu beantragen. Dabei handelt es sich um eine Förderung der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters, die es ermöglicht, an Weiterbildungen und Umschulungen teilzunehmen. Der Gutschein deckt die Kosten für die Weiterbildung, einschließlich Kursgebühren, Fahrtkosten und eventuell anfallende Kosten für Kinderbetreuung. Die Höhe des Bildungsgutscheins variiert je nach Kurs und individuellen Bedürfnissen.
Die finanziellen Stützen für Azubis auf einen Blick:
- Schüler-BAföG: für schulische Ausbildungen, bis zu 934 Euro monatlich (bis 45 Jahre)
- Berufsausbildungsbeihilfe (BAB): für duale Ausbildungen, bis zu 781 Euro monatlich
- Wohngeld: bei abgelehntem BAB- oder Schüler-BAföG-Antrag
Warum sich ältere Azubis für Unternehmen sogar lohnen
Ganz ehrlich: Selbst mit 30 Jahren wirst du in deinem Leben wahrscheinlich noch länger arbeiten, als du alt bist. Ich habe letztens meinen ersten Rentenbescheid bekommen und gesehen, wie viele Jahre ich noch arbeiten muss, bevor ich in Rente gehen kann – erschreckend. Ob ich bis dahin auch mal Lust habe, beruflich was anderes zu machen? Wahrscheinlich. Was mir dabei helfen wird, sollte es mal so weit sein: Meine Lebenserfahrung.
Laut einer Studie der Arbeitsagentur aus dem Jahr 2023 haben mehr als die Hälfte der Azubis über 25 Jahre bereits einen Berufsschulabschluss. Viele „ältere“ Azubis haben also tatsächlich schon mehr Erfahrung, was auch den Arbeitgebern zugutekommt. Selbst, wenn du erst wenig Berufserfahrung mitbringst, hast du trotzdem schon mehr Zeit auf dieser Welt verbracht als die jüngere Konkurrenz. Deshalb gelten ältere Azubis oft als motivierter und engagierter. Bei deiner Bewerbung musst du deswegen natürlich nicht mit dem Klischee der „faulen Jugend von heute“ argumentieren. Du kannst es aber in gewisser Weise für dich nutzen, indem du besonders deine Motivation und deine Erfahrung aufgrund deines Alters unterstreichst.
Beachte diese Punkte bei deiner Bewerbung:
- Erfahrung: Betone deine Berufserfahrung und hebe deine Fähigkeiten hervor.
- Motivation: Erkläre, warum du dich für eine neue Ausbildung entschieden hast und welche Ziele du verfolgst.
- Lebenslauf: Strukturiere deinen Lebenslauf klar und übersichtlich, fokussiere dich auf die Aspekte, die für die Ausbildung wichtig sind.
- Anschreiben: Zeige in einem individuellen Anschreiben, dass du dich intensiv mit dem Unternehmen und der Ausbildungsstelle auseinandergesetzt hast.
Altersdiskriminierung
Wusstest du, dass du wegen deines Alters genauso wenig wie wegen deines Geschlechts nachteilig behandelt werden darfst? Gesetzlich ist festgelegt, dass Stellenausschreibungen nicht altersdiskriminierend sein dürfen. Werden also jüngere oder ältere Bewerber und Bewerberinnen in Stellenanzeigen benachteiligt, spricht das gegen den Paragrafen 7 im AGG (Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz). Das gilt übrigens auch schon für Formulierungen wie: „Wir wünschen uns Unterstützung für unser junges Team“. Hier könnten sich ältere Bewerber und Bewerberinnen nicht angesprochen fühlen.
Welche Ausbildungen kommen infrage?
Du bist dir noch nicht sicher, was du machen möchtest? Theoretisch kommen alle Ausbildungen infrage. Offiziell gibt es nämlich keine Altersgrenze für Ausbildungen. Ausnahmen gibt es zum Beispiel bei der Feuerwehr oder der Polizei, weil es sich dabei um Berufe handelt, bei denen du körperlich fit sein musst. Hier gilt meistens ein Höchstalter von 35 Jahren für den Diensteintritt.
Die aktuelle Lage auf dem Ausbildungsmarkt: Der Fachkräftemangel zeigt sich vor allem bei den Ausbildungen. Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen lag mit 73.400 im Jahr 2023 sogar auf einem neuen Höchststand. Das Angebot an Ausbildungsstellen war in den letzten zwei Jahren höher als die Nachfrage von Ausbildungssuchenden. Der Zeitpunkt für eine neue Ausbildung könnte also besser nicht sein und deine Chancen stehen sehr gut.
Diese Branchen haben momentan den größten Fachkräftebedarf:
Wenn es um die Berufswahl geht, macht man sich auch Gedanken darüber, wie es in ein paar Jahren um den Job steht. Die Aussage „Die Technik wird uns irgendwann alle ersetzen“, habe ich in meinem Kopf immer einem ahnungslosen Boomer zugeteilt. Ich bin ehrlich: Seitdem ChatGPT und Co. auf dem Markt sind, fühlt sich diese Aussage für mich als Redakteurin deutlich bedrohlicher an. Es kann also nicht schaden, sich nach Berufen umzuschauen, die eine besonders gute Zukunftsperspektive bieten.
Berufe mit Zukunftsperspektive
Besonders im technischem Bereich finden sich viele Berufe mit Zukunft. Wer im Umgang mit Technik geschickt ist, hat gute Chancen auf einen zukunftssicheren Job und vielfältige Möglichkeiten. Gerade in Krisenzeiten haben aber auch systemrelevante Berufe an Bedeutung gewonnen. Dazu zählen vor allem Berufe im Gesundheitswesen und im medizinischen Bereich wie die Pflegefachfrau, der Rettungssanitäter, oder die Physiotherapeutin – aber auch kaufmännische Berufe.
Im Handwerk sind letztes Jahr 20.000 Ausbildungsstellen unbesetzt geblieben! Handwerkliche Berufe Berufe sind nicht nur traditionsreich, sondern auch unverzichtbar. Sie bieten stabile Beschäftigungsmöglichkeiten, gute Verdienstchancen und oft die Möglichkeit zur Selbstständigkeit. Angesichts der wachsenden Nachfrage nach qualifizierten Handwerkern und Handwerkerinnen lohnt sich eine Ausbildung in diesem Bereich besonders. Und es wird wohl noch sehr lange dauern, bis eine KI den Job von Fleischern, Dachdeckerinnen oder Malern übernehmen kann.
Fazit: Ab 30 ist es nicht zu spät für eine neue Ausbildung!
Als ich bei der Recherche für diesen Artikel daran dachte, jetzt noch mal eine Ausbildung anzufangen, war mein erster Gedanke zugegebener Maßen auch, ob ich nicht zu alt dafür bin. Als ich den Gedanken mit meinem Vater teilte, lachte er mich aus. Er arbeitet schon seit 47 Jahren und freut sich jetzt auf seine Rente. Ich habe diese Arbeitsjahre noch vor mir. Bei dem Gedanken fühle ich mich nicht mehr alt und bin froh, dass mein Job mir Spaß macht. Also: Tu das, was dich glücklich macht.
Ob du eine klassische Berufsausbildung, eine Weiterbildung, ein Studium oder einen Fernkurs wählst – die Optionen sind vielfältig und lassen sich an deine individuellen Bedürfnisse anpassen. Lass dich dafür am besten beim Arbeitsamt beraten. Mit der richtigen Unterstützung und guter Planung kann die Ausbildung deine Chance zur persönlichen Weiterentwicklung oder der Weg in eine erfüllende Karriere sein.
Über die Autorin
Larissa schreibt seit 2021 für Ausbildung.de. Sie wollte schon immer Redakteurin werden. Sie fragt sich aber manchmal, wie ihr Leben verlaufen wäre, hätte sie direkt nach der Schule eine Ausbildung gemacht.
Quellen:
https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/berufsbildungsbericht-2024-2276888
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